Genügt ein digitales Beratungsmodell für alle Kundensegmente einer Bank?
Einleitung
Die Digitalisierung der Vermögensverwaltung und insbesondere des Beratungsprozesses beschäftigt Banken und andere Finanzdienstleister seit geraumer Zeit. So sind über die letzten Jahre von verschiedenen Banken, unabhängig von deren Grösse, eine Vielzahl an neuen digitalen Beratungsmodellen lanciert worden. In diesem Beitrag möchten wir die verschiedenen Beratungsmodelle näher betrachten und die Frage beantworten, ob es ein digitales Beratungsmodell gibt, das im Sinne von «one fits it all» für alle Kundensegmente geeignet ist.
Digitalisierung der Vermögensberatung
Warum sollen Banken auf digitale Beratungsmodelle setzen?
Die Digitalisierung der Beratungsprozesse dient nicht nur dem moderneren Auftritt der Bank gegenüber dem Kunden, sondern sie dient insbesondere auch als Unterstützung für den Kundenberater bei der Einhaltung aller relevanten regulatorischen oder internen Vorschriften, damit sich dieser, je nach Beratungsmodell, auf den Kern seiner Arbeit, die angemessene Kundenbetreuung, konzentrieren kann. Auf der anderen Seite bietet die Digitalisierung der Vermögensverwaltung, gerade in Zeiten schwindender Margen, wachsenden regulatorischen Anforderungen und einem immer stärkeren Konkurrenzdruck, der Bank auch Möglichkeiten zur Reduktion der Kosten bzw. der Etablierung von effizienteren und effektiveren Prozessen. Schliesslich können Banken mit einem breiten digitalen Angebot, welches auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet ist, Kunden verschiedener Segmente individuell ansprechen und einfacher an sich binden und sich so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.
Welche digitalen Beratungsmodelle gibt es?
Die digitalen Beratungsmodelle, welche in der Praxis anzutreffen sind, lassen sich grob in drei Gruppen
- Digital unterstützte (persönliche) Vermögensberatung
- Hybride Vermögensberatung
- Automatisierte Vermögensberatung (Robo Advisor)
einteilen. Die Einteilung erfolgt dabei abhängig vom Grad der Automatisierung bzw. dem verbleibenden direkten Kontakt zwischen dem Berater und dem Kunden.

Die in der Abbildung 1 gemachte Zuteilung der Kundensegmente zu den jeweiligen Beratungsmodellen entspricht der von der Branche üblicherweise mit den Modellen angesprochenen Zielgruppen. Diese Zuteilung sollte jedoch nicht als zwingend betrachtet werden. Zwar werden künftig wohl Beratungsmodelle mit tiefem Automatisierungsgrad und einem engen, persönlichen Kontakt zwischen Berater und Kunde aus reinen Kostenüberlegungen für die tieferen Kundensegmente immer weniger anzutreffen sein, auf der anderen Seite ist keinesfalls auszuschliessen, dass vermögende Kunden aus den oberen Segmenten auf eine persönliche Beratung ganz oder zumindest für Teilvermögen verzichten und höher automatisierte Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
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Was sind die Besonderheiten der Modelle?
Digital unterstützte (persönliche) Vermögensberatung
Die «digital unterstützte Vermögensberatung» betrachten wir als den ersten Schritt der digitalen Transformation der Vermögenverwaltung. Dieser Schritt wurde bereits von vielen Finanzdienstleistern erfolgreich umgesetzt oder befindet sich noch in Umsetzung. Ziel des Beratungsmodells ist die digitale Unterstützung des Beratungsprozesses mittels dafür konzipierter Softwarelösungen. Diese Softwarelösungen, bei welchen es sich entweder um Eigenentwicklungen der Bank oder um lizenzierte und auf die eigenen Bedürfnisse angepasste Applikationen handelt, unterstützen den Berater bei
- der Kundenprofilierung,
- der Portfolioanalyse,
- der Simulation von Anlagevorschlägen inkl. Pre-Trade Test und Dokumentation,
- der Durchführung von periodischen Depotbesprechungen inkl. Dokumentation,
- der Portfolioüberwachung (Post-Trade Test).
Gerade durch das Inkrafttreten von regulatorischen Vorschriften wie FIDLEG (Schweiz) oder MiFID II (Europa), welche dem Anlegerschutz einen besonders hohen Stellenwert beimessen, wurde das Bedürfnis für eine digitale Unterstützung des Beratungsprozesses beschleunigt. Ohne digitale Unterstützung scheint die Einhaltung der neuen Verhaltenspflichten nicht mehr effizient möglich zu sein, was die Kosten für die Vermögensberatung gerade in Zeiten schwindender Margen und immer preissensitiveren Kunden unnötig erhöht und die Profitabilität des Angebots bedroht.
Auch wenn fortschrittliche Softwarelösungen so aufgebaut sind, dass sie für das direkte Kundengespräch, z.B. auf einem Tablet oder Notebook, verwendet werden können, ist eine Beratung ohne den Berater üblicherweise nicht vorgesehen. Dies ist nicht per se schlecht, sondern berücksichtigt den Fakt, dass die Vermögensverwaltung, gerade bei vermögenden Kunden, immer noch ein Geschäft ist, in dem es vielen Kunden primär um Vertrauen in den Finanzdienstleister, um den persönlichen Kontakt mit einem Berater (min. als «Sparring Partner») und um eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Beratung geht. Dennoch bietet auch die digital unterstützte Vermögensberatung die Möglichkeit, mit dem Kunden über verschiedene Kanäle automatisiert oder manuell zu kommunizieren. So können bspw. die Anlegerprofilierung in einen Self-Service Bereich ausgelagert, Alerts aus dem Portfoliomonitoring direkt den Kunden weitergeleitet oder automatisiert, Anlageideen auf Stufe Einzeltitel sowie vom Kundenberater manuell erstellte Anlagevorschläge über Online-Kanäle (E-Banking, Kundenportale, Mobile Apps) mit dem Kunden geteilt und die Zustimmung über denselben Kanal abgeholt werden.
Unabhängig von den obengenannten Gründen sehen wir die digital unterstützte Vermögensberatung als zentrales Beratungsmodell im Wealth Management, da sie einerseits einen ansehnlichen Beitrag zu einer effizienteren und effektiveren Beratung schafft und der Kunde andererseits bereits über verschiedene digitale Kanäle aktiv in den Beratungsprozess miteinbezogen werden kann. Im Idealfall setzen Finanzdienstleister das Beratungsmodell «Digital unterstützte Vermögensberatung» jedoch für vermögende bzw. für die Bank aus Ertragsperspektive attraktive Kundensegmente ein, welche grossen Wert auf eine umfassende und individuelle Beratung mit teilweise komplexen Anlageprodukten setzen, was eine enge Einbindung des Beraters voraussetzt. Denn bei diesem Modell bleiben die Kosten einer Beratung immer noch hoch im Vergleich zu anderen Beratungsmodellen, was vor allem dem tieferen Automatisierungsgrad und dem bleibend hohen Personaleinsatz durch die persönliche Beratung geschuldet ist.
Hybride Vermögensberatung
Die hybride Vermögensberatung bedient sich aus Elementen der klassischen bzw. digitalen unterstützten Vermögensberatung sowie der automatisierten Vermögensberatung (Robo Advisors) und versucht mit dem Besten aus beiden Welten ein für den Kunden attraktives Angebot zu schaffen. In Fachbeiträgen sind verschiedene Definitionen der hybriden Vermögensberatung zu finden, jedoch haben die meisten gemein, dass sie einen vollständig automatisierten Anlageprozess voraussetzen, der Kunde aber zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit hat auf einen Berater in Person zurückzugreifen.
In einem idealen hybriden Beratungsmodell erfolgt die Kundenprofilierung (Risikoprofil, Präferenzen, Anlageziele) vollständig online durch den Kunden. Basierend auf dem Kundenprofil empfehlen intelligente Algorithmen eine geeignete Anlagestrategie und eine optimale Titelselektion für das Portfolio des Kunden. Hier soll das Anlageuniversum jedoch deutlich breiter sein als dies z.B. bei den gängigen, auf ETF-Anlagen basierenden Robo Advisors der Fall ist. Vielmehr soll der Kunde einen Basisvorschlag erhalten, welchen er mit Titeln aus dem Anlageuniversum selbstständig, unter Berücksichtigung der Schranken aus Kundenprofil, Präferenzen und Anlagezielen zu seinem Portfolio aufbauen kann. Hierbei soll der Kunde von der Software wo immer möglich unterstützt werden, damit er sich im Rahmen seiner Risikofähigkeit und -bereitschaft aber auch seiner Renditeerwartungen bewegt.
Wünscht der Kunde Unterstützung eines Beraters so kann er diese direkt online im Anlageprozess beiziehen. Hierfür können je nach Bedürfnissen sowohl Chatbots, Videochats oder in letzter Konsequenz auch persönliche Gespräche vor Ort in Frage kommen. Wichtig ist jedoch, dass diese Gespräche immer dort ansetzen können, wo der Kunde sich bereits im Anlageprozess befunden hat, damit der Berater gemeinsam mit dem Kunden auf den erfolgreichen Abschluss hinarbeiten kann. Inwiefern der Kunde im hybriden Modell seine Anlagen selbstständig betreut oder doch lieber auf Anlagetipps oder vollständige Anlagevorschläge des Beraters vertraut ist ihm schlussendlich selbst überlassen. Selbstverständlich stehen der Bank auch bei einem hybriden Beratungsmodell sämtliche Kommunikationskanäle analog der digital unterstützten Vermögensberatung zur Verfügung. Geschickt mit entsprechenden Technologien wie Artificial Intelligence oder Machine Learning ergänzt, können Kunden personalisierte Anlageideen übermittelt werden, welche für ihre spezifischen Portfolios, Risikoprofile, Präferenzen und Anlageziele geeignet sind, mit dem Ziel das Handelsvolumen der Kunden zu erhöhen und damit mehr Kommissionserträge zu generieren.
Anbieter hybrider Beratungsmodelle wenden oft ein Gebührenmodell mit einer tiefen Basisgebühr (analog Robo Advisors) und kostenpflichtigen Beratungen an. Da die Gebühren für das Beratungsmodell damit zwischen den beiden anderen Modellen liegen dürften, sehen wir grosses Potential im Bereich Retail, Affluent, HNWI aber auch bei UHNWI Kunden die mehr Autonomie bevorzugen aber im Zweifelsfall gerne auf einen «Sparring Partner» in Form eines Beraters zurückgreifen möchten. Spannend erscheint uns dieses Beratungsmodell auch, weil es unzählige Interaktionsmöglichkeiten zwischen Bank und Kunde (digitale und physische Touchpoints) bietet und damit neue Möglichkeiten für attraktive digitale Services schafft, die für Finanzdienstleister gewinnbringend monetarisiert werden könnten.
Automatisierte Vermögensberatung (Robo Advisor)
Unter die «automatisierte Vermögensberatung» fallen die allseits bekannten Robo Advisors, welche eine vollständige Automatisierung aufweisen und auf einen persönlichen Kontakt zwischen Kunde und Berater verzichten.
Robo Advisor basieren auf intelligenten Algorithmen, welche basierend auf dem online vom Kunden ermittelten Risikoprofil, dessen Präferenzen und dessen Anlageziele automatisiert eine Anlagestrategie empfehlen und dazu ein optimales Portfolio vorschlagen. Dies wird vom Robo Advisor automatisiert umgesetzt, überwacht und periodisch adjustiert. Abhängig von der Komplexität der Algorithmen bzw. der Software des Robo Advisors werden unterschiedliche Anlagedienstleistungen angeboten. Eine detaillierte Betrachtung der Funktionsweise und der Ausprägung von Robo Advisors werden wir in einem späteren Beitrag vornehmen.
Der Vorteil bei Robo Advisors liegt jedoch auf der Hand und wird auch gerne als Argument für deren Verwendung ins Feld geführt. Robo Advisors sind dank hoher Automatisierung im Vergleich zu anderen Beratungsmodellen deutlich günstiger, da sie auf hohen Personaleinsatz bei der Beratung aber auch durch den überwiegenden Einsatz von passiven Finanzinstrumenten (z.B. ETFs) tiefere Kosten haben. Daraus ergibt sich auch die primäre Zielgruppe der Robo Advisors, nämlich die weniger vermögenden Kundensegmente (Retail, Affluent), welche bei den grösseren Vermögensverwaltern durchs Raster fallen, da sie aus der Kostenperspektive weniger attraktiv erscheinen. Daneben werden aber auch vermögende Kunden der Generation X («Digital Immigrants») und Generation Y («Digital Natives») angesprochen, welche einerseits die Autonomie eines Robo Advisors schätzen, andererseits auch durch das auf- bzw. hineinwachsen und tägliche Nutzen der Digitalen Möglichkeiten weniger empfänglich für die klassische, persönliche Beratung sind.
Basierend auf dem obengenannten, sehen wir für die Robo Advisors durchaus eine Berechtigung und vor allem auch eine Bereicherung für das Wealth Management und die Anlagekunden. Die Schwierigkeit bei diesem Beratungsmodell besteht jedoch insbesondere bei der Skalierung. Der rentable Betrieb eines Robo Advisors hängt stark von der Nachfrage der Kunden ab. Wird die kritische Grösse nicht schnell genug erreicht lohnt sich der Betrieb aus finanzieller Sicht nicht. Das Generieren der Nachfrage scheint gerade für kleinere, unabhängige Robo Advisors schwierig zu sein, was allenfalls auch auf das fehlende Vertrauen, Trägheit in Bezug auf Wechsel des Anbieters oder (noch) zu wenig Kapital oder Anlageinteresse der Generation Y zurückzuführen ist. Dennoch sehen wir ein gewisses künftiges Potential für den Einsatz von Robo Advisors, wenn sie von etablierten Finanzinstituten oder Produktanbietern als eigenständiges Angebot für spezifische Kundensegmente eingesetzt werden. Dass die Finanzinstitute hierfür auf Softwareanbieter für entsprechende Robo Advisor Lösungen zurückgreifen und die Entwicklung mit ihrer fachlichen Kompetenz begleiten erscheint uns als zielführender Ansatz.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es nicht ein richtiges oder falsches Beratungsmodell für ein Kundensegment gibt. Vielmehr eignet sich für bestimmte Kundensegmente das eine Beratungsmodell besser als das andere, z.B. im Falle der digital unterstützten Vermögensberatung gegenüber der automatisierten Vermögenberatung für HNWI und UHNWI Kunden. Nichtsdestotrotz entscheidet am Schluss der Kunde selbst, welches Beratungsmodell für seine Bedürfnisse am besten passt. Solange das teilweise fehlende Vertrauen in vollständig automatisierte Lösungen von kleineren und unabhängigen Anbietern fehlt und die Trägheit in Bezug auf Wechsel zwischen den Anbietern fortbesteht müssen sich Banken keine grossen Sorgen machen. Dennoch finden wir, dass mindestens eine digital unterstützte Anlageberatung, welche auf einen Berater in Person und entsprechende Softwarelösungen für die Beratung setzt, als Mindeststandard für eine zeitgemässe Vermögensberatung betrachtet werden sollte. Denn sie lässt sich bereits für alle Kundensegmente einsetzen und bietet schon einen erheblichen Gewinn in Bezug auf Effizienz und Effektivität sowie eine Reduktion der Haftungsrisiken dank automatisierter Überwachung regulatorischer Vorschriften und interner Weisungen.
Im Idealfall würden Finanzdienstleister jedoch für alle Bedürfnisse ein geeignetes Beratungsmodell anbieten. Jedoch ist auch uns bewusst, dass dies aus Kostengründen meist nicht realisierbar ist (vgl. auch Rentabilität von Robo Advisors), weshalb wir für die Zukunft des Wealth Management das Modell der hybriden Vermögensberatung grundsätzlich interessant finden. Denn mit diesem Modell in verschiedenen Ausprägungen können aus unserer Sicht fast alle Bedürfnisse bedient werden und es bestehen zudem spannende Möglichkeiten für zusätzliche Services und Lösungen, die durch Finanzdienstleister monetarisiert werden könnten.