Welche Berechnungen sind für Kategorie 2 Produkte durchzuführen?
Einleitung
In Teil 1 der Serie haben wir ein Beispiel eines PRIIPs KID gezeigt und die Kategorisierung von PRIIPs vorgestellt. In diesem Beitrag zeigen wir an einem konkreten Beispiel, wie die Kennzahlen für Kategorie 2 PRIIPs zu berechnen sind. Der relevante rechtliche Rahmen dafür ist wieder die Delegierte Verordnung (EU) 2017/653 der Kommission vom 8. März 2017.
Kategorie 2 PRIIPS sind verpackte lineare Investments in ein Underlying. Konkret führen wir die Rechenschritte an einem gedachten Tracker Zertifikat auf den Swiss Market Index SMI vor. Dieses Zertifikat möge zum Zeitpunkt der Erstellung des Basisinformationsblatts mit einem Kurs von 10.000 CHF beginnen und genau die Wertveränderung des SMI abbilden. Der Einfachheit halber lassen wir (hier) Einstiegs- und Ausstiegskosten sowie laufende Kosten außer Acht. Die in der Delegierten Verordnung vorgeschriebene Berechnungslogik von Kategorie 2 PRIIPs nimmt an, dass aus der Wertentwicklung der Vergangenheit Information über die zukünftige Wertentwicklung in einem probabilistischen Sinn gewonnen werden kann.
Berechnung des Marktrisiko-Werts (MRM)
Schritt 1: Historische Daten ermitteln
Im Fall des SMI ist das einfach: Wir benötigen tägliche Schlusskurse der letzten 5 Jahre. Die folgende Abbildung zeigt die Wertentwicklung des SMI zwischen April 2015 und Ende März 2020. Ganz deutlich sehen wir den COVID-19 bedingten Absturz am Ende der Zeitreihe.

Eine Anmerkung dazu: Ist das Underlying ein Instrument, für das Kurse seltener als täglich vorliegen oder für das es (noch) keine Kurszeitreihe für die letzten 5 Jahre gibt (etwa bei Neuemissionen, für die Proxys zu finden sind), regelt die Delegierte Verordnung auch das Vorgehen bei einer schlechten Datenlage. Wir verweisen auf die entsprechenden EU-Texte.
Schritt 2: Historische Returns und ihre statistischen Momente ermitteln
Die Delegierte Verordnung nimmt als Modell für die zukünftigen Wertentwicklungen an, dass die stochastische Bewegung des Underlyings sich in der Zukunft in analoger Weise verhält wie in der Vergangenheit, genauer: Im Fall eines Kategorie 2 Instruments nimmt das Modell an, dass
- tägliche Returns statistisch unabhängig sind,
- diese zukünftigen täglichen Returns die gleiche Wahrscheinlichkeitsverteilung haben wie die historischen Returns der letzten 5 Jahre.
Eine Anmerkung zum zweiten Punkt: Für die Performance-Szenarien wird auch der historische Ertrag in die Zukunft fortgeschrieben, für den Marktrisikoindikator wird, um ein zu optimistisches Risikobild zu vermeiden, bei Kategorie 2 Instrumenten für die Ermittlung des Marktrisikoindikators im Mittel ein zukünftiger Ertrag von 0 angenommen.
Für den SMI ergibt sich die folgende Verteilung an logarithmischen historischen täglichen Returns
wobei Xi der Schlusskurs am Tag i und log der natürliche Logarithmus ist. Für den SMI ergibt diese historische Verteilung das folgende Histogramm.

beziehungsweise eine geglättete Version davon

Eine Berechnung der höheren statistischen Momente (die benötigen wir gleich anschließend für die Cornish-Fisher-Entwicklung) ergibt neben dem Mittelwert von 0.0000115656 und der Standardabweichung von 0.010167 für den betrachteten Zeitraum eine Schiefe von -0.94 (die Verteilung ist linksschief: der Gipfel ist links flacher und rechts steiler) und ein Kurtosis von 14.83 (die Verteilung ist in der Mitte spitzer und hat häufigere Extremereignisse als eine Normalverteilung, deren Kurtosis 3 beträgt). Wir definieren noch: Exzess Kurtosis = Kurtosis – 3, sodass die Exzess Kurtosis der Normalverteilung 0 ist.
Erzeugen wir nun auf der Basis dieser historischen Returns simulierte Pfade in die Zukunft (hier: für 5 Jahre), dann können diese Pfade beispielsweise so aussehen. Wir zeigen hier 200 Pfade, mit einem Startwert bei 100 Prozent.

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Die Cornish-Fisher-Entwicklung
Unter den Annahmen von oben (identisch verteilte, unabhängige Returns) lässt sich aus dem zentralen Grenzwertsatz ableiten, dass die Summe der logarithmischen Returns nach N Handelstagen, immer näher an die Normalverteilung kommt und die Schiefe dieser Summe gleich der Schiefe des einzelnen Returns / , die Exzess Kurtosis der Summe gleich der Exzess Kurtosis des einzelnen / N ist.
Die Verordnung macht für Kategorie 2 Instrumente einen Cornish-Fisher-Ansatz. (Cornish, E. A., and R. A. Fisher. “Moments and Cumulants in the Specification of Distributions.” Revue De L’Institut International De Statistique/ Review of the International Statistical Institute, vol. 5, no. 4, 1938, pp. 307–320.), der durch eine geeignete Transformation die Verteilungsfunktion der Normalverteilung in eine Verteilung mit anderer Schiefe und anderer Kurtosis umrechnet. So können Quantile sehr einfach ermittelt werden, weil nur Quantile der Normalverteilung benötigt werden.
Wenn wir also die (simulierte) Verteilung des SMI nach 5 Jahren wissen wollen, dann brauchen wir nur in diese Formeln (Delegierte Verordnung Anhang II, Teil 1, Ziffern 12 und 13) einsetzen (mehr dazu und ein paar böse Fallen gibt es in Teil 3 dieser Blogserie) und können das 97.5 % Quantil für den Marktrisikoindikator ermitteln. Bei einer empfohlenen Haltedauer von, wie in den simulierten Pfaden angenommen, 5 Jahren ergibt das eine VaR-äquivalente Volatilität von 16.2 % und daher einen Marktrisikoindikator von 4.
Berechnung des Kreditrisiko-Werts (CRM)
Ist der Hersteller des PRIIP ein Unternehmen, das ein Rating von einer Rating-Agentur hat, so ermittelt sich der Kreditrisikowert aus der Übersetzungstabelle, die in der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1800 der Kommission festgelegt ist. Beispielsweise bedeutet ein „A“-Rating von Moody’s eine Kreditrisikoklasse von CR2, ein „BBB“ von Standard & Poors ein CR5. Hersteller ohne Rating erhalten – vereinfacht gesprochen – einen Default-Wert von 3, wenn sie von einer Finanzmarktaufsicht überprüft werden (etwa Banken ohne Rating, Versicherungen ohne Rating), sonst einen von 5.
Information zum Liquiditätsrisiko
Falls das PRIIP schwierig zu liquidieren ist (weil es keinen Sekundärmarkt gibt, weil Kurse sehr selten bestimmt werden oder weil die Stückelung sehr groß ist), dann muss der Hersteller in einem Textbaustein darauf besonders hinweisen. Tracker-Zertifikate auf bedeutende Indizes sollten im Normalfall sehr liquide sein.
Berechnung der Performance Szenarien
In analoger Weise werden die Performance Szenarien (vgl. Delegierte Verordnung Anhang IV) für Kategorie 2 Instrumente ermittelt. Im hier betrachteten Beispiel ergibt das bei einem Investment von CHF 10.000 und einem Zeithorizont von 5 Jahren (ohne Berücksichtigung von Kosten):
- Im pessimistischen Szenario (10% sind schlechter): 5.990 CHF
- Im moderaten Szenario (Median): 9.524 CHF
- Im optimistischen Szenario (90% sind schlechter): 15.062 CHF
Das Beispiel zeigt auf, dass die Kursentwicklung des SMI im ersten Quartal 2020 die Performance Szenarien deutlich beeinflusst, d.h. die Renditeerwartungen massiv nach unten gedrückt hat.
Wäre das Basisinformationsblatt mit Jahresanfang 2020 (auf der Basis der Kurse Jänner 2015 bis Dez 2019) erstellt worden, so hätten die Performance Szenarien gelautet:
- Im pessimistischen Szenario (10% sind schlechter): 7.339 CHF
- Im moderaten Szenario (Median): 11.258 CHF
- Im optimistischen Szenario (90% sind schlechter): 17.176 CHF
Das Stress-Szenario
Für das Stress-Szenario der Kategorie 2 Instrumente schreibt die Delegierte Verordnung die folgenden Schritte vor:
- Anstelle der Durchschnittsvolatilität der 5 Jahre des Beobachtungszeitraums ist eine Stress-Volatilität zu verwenden. In unserem Beispiel sind die Durchschnittsvolatilitäten über alle 3-Monats-Zeiträume zu ermitteln (also: 1. Jänner bis 1. April, 2. Jänner bis 2. April, und so weiter). Von den sich so ergebenden 1193 (entspricht 4 Jahre und 9 Monate als Beginnzeitpunkt des Fensters) Volatilitätswerten ist die 119-größte (90% Quantil) zu verwenden.
- Mit dieser größeren Volatilität ist in der Cornish-Fisher-Entwicklung das 5% Quantil (5% sind schlechter) zu bestimmen. Dabei ist ein Return von 0 (und nicht der tatsächliche historische Return) zu verwenden.
Das ergibt auf der Basis der Daten bis März 2020 einen Wert für das
- Stress-Szenario von 4.916 CHF,
auf der Basis der vor COVID-Daten einen Wert für das
- Stress-Szenario von 5.159 CHF.
Der größere Unterscheid zwischen pessimistischem und Stress-Szenariowert im Vor-COVID-Fall erklärt sich aus der vorgeschriebenen Rechenmethode, die den historischen (positiven) Returnwert im Stress-Szenario nach unten drückt. In beiden Fällen (vor und nach COVID) ist die Stressvolatilität bedeutend größer (+33% vor COVID, +30% nach COVID).
Noch extremer wird das Stress-Szenario, wenn die empfohlene Haltedauer unter einem Jahr ist: Dann sind als Beobachtungsfenster (in obigem Schritt 1) zur Ermittlung der Stress-Volatilität 21 statt 63 Tage zu verwenden, als Stress-Volatilität (ebenfalls im Schritt 1) wird das 99% Quantil verwendet. Auch in Schritt 2 wird das 1% Quantil verwendet.
Im nächsten Beitrag: Die Cornish Fisher Entwicklung und ihre Grenzen.