PRIIPs Kategorie 3-Methodik für Aktieninstrumente
Einleitung
Viele strukturierte Investments, die auch Privatanlegern angeboten werden, sind nichtlinear, weil sie beispielsweise mit Kündigungsrechten (von der Seite der Emittentin oder von der Seite des Investors) oder mit eingebetteten Optionen ausgestattet sind. Solche Investments sind (siehe Teil 1) nach der Delegierten PRIIPs Verordnung im Regelfall, wenn kein Totalverlust droht oder Nachschusspflicht herrscht, Kategorie 3 Instrumente, für die umfangreiche Simulationsrechnungen anzustellen sind.
In diesem Beitrag stellen wir die PRIIPs-Kategorie 3-Methodik für Aktieninstrumente vor, in Teil 5 diskutieren wir die Rechenschritte für strukturierte Zinsinstrumente.
Ein Barrier Reverse Convertible als Kategorie 3 PRIIP
Was ist ein Barrier Reverse Convertible (BRC)?
Ein BRC ist eine Struktur, die aus einer Anleihe mit relativ hohen Kuponzahlungen und Stillhalterpositionen (short position) in Down-and-In Knock-In Put-Optionen besteht. In unserem konkreten Beispiel hier soll die zugrundeliegende Aktie (voestalpine) am Beginn der Laufzeit (29. Dezember 2017) einen Kurs von 49.845 EUR haben. Bei einem Nominalwert von 1000 EUR ist die Auszahlung am Ende der Laufzeit (hier: nach einem Jahr):
- Wenn der Aktienkurs während der Laufzeit nie unter 35 EUR fällt, erhält der Investor die Anleihe zu 100 % getilgt und 6 % Kupon.
- Sollte der Aktienkurs während der Laufzeit mindestens einmal diese Untergrenze von 35 EUR durchbrechen (Down-and-In), dann bekommt der Investor auf jeden Fall den Kupon (6 %). Über die Tilgung entscheidet die Emittentin, entweder 1000 EUR oder 20 Aktien am Ende der Laufzeit. Wenn also der Aktienkurs im Fall des Down-and-In am Ende der Laufzeit wieder über 50 EUR liegt, dann wird die Emittentin die Anleihe zum Nominalpreis tilgen, wenn sie aber darunter (unter 50) liegt, dann in Form von 20 Aktien.
Die Delegierte Verordnung schreibt vor, dass sowohl für den Marktrisikoindikator als auch für die Performance Szenarien jeweils 10.000 Pfade zukünftiger Entwicklungen des Aktienkurses zu simulieren sind. Dafür berechnet man zuerst aus der Zeitreihe der letzten 5 Jahre (also von 2013 bis 2017) die täglichen logarithmischen Returns, gezeigt im Histogramm.


Für die Entwicklung der Pfade zieht man zufällig – mit Zurücklegen – aus diesen logarithmischen Returns und wendet die Änderung auf den aktuellen Aktienkurs an. So erhält man einen Pfad bis zur empfohlenen Haltedauer. Insgesamt müssen 10.000 Pfade generiert werden. Also 250 Handelstage mal 10.000 Pfade: 2.5 Millionen Mal ziehen. Wir erhalten

Um jetzt den Marktrisikoindikator und die Performance-Szenarien bestimmen zu können, müssen wir den Aktienkurs entlang jedem dieser Pfade beobachten: Fällt der Kurs unter 35, wird die ursprüngliche Tilgung der Anleihe in 20 Stillhalterpositionen von Put-Optionen mit einem Strike von 50 umgewandelt. Am Ende der Laufzeit ist in diesen Fällen dann zu entscheiden, wie (Cash oder Aktie) getilgt wird.
Wir erhalten für den Tilgungswert (pro Aktie, ohne 6 % Kupon):

Das 97.5 % Perzentil am linken Rand ergibt einen Tilgungswert von 27.76 EUR + anteilige 3 EUR Kupon, also 30.76 EUR. Umgerechnet auf eine „VaR equivalent volatility“ ist das ein Volatilitätswert von 23.39% und damit ein Marktrisikoindikator von 5.
Bei der Darstellung der generierten Aktienpfade haben wir bisher verschwiegen, dass zur Berechnung des MRI als mittlerer Return der risikolose Zinssatz (für die recommended holding period) zu verwenden, also im risikolosen Mass zu rechnen, ist.
Für die Performanceszenarien ist das physische Maß zu verwenden, also für die Aktien der tatsächliche mittlere Return der letzten 5 Jahre zu verwenden. Die Pfade rücken dadurch in unserem Beispiel etwas nach oben (weil der Kurs der voestalpine Ende 2017 höher war als Ende 2012), auch die Auszahlungsfunktion für die Performanceszenarien ändert sich.

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Bewertungsaufwand?
In diesem konkreten Beispiel ist die Bewertung eigentlich relativ einfach: Wir müssen 10.000 Pfade für den Marktrisikoindikator aufbauen, 10.000 Pfade für die Performance-Szenarien (und 10.000 Pfade für das Stress-Szenario). Die Bewertung selbst ist aber ein einfaches Nachschauen (1), ob die Barriere durchbrochen wurde und (2) falls ja, ob die Aktie am Ende der Laufzeit über oder unter 50 liegt.
Deutlich komplizierter wird es, wenn die Laufzeit länger als ein Jahr ist. Dann müssen Performance-Szenarien auch an Zeitpunkten dazwischen ausgewiesen werden. Das heisst, dass an diesen Zeitpunkten (je nach Pfad) eine Down-and-In-Put-Option oder eine Put-Option zu bewerten sind. Dafür sind dann 10.000 (Performance) + 10.000 (Stress) partielle Differentialgleichungen zu lösen.
Varianten
Barrier Reverse Convertibles gibt es auch mit mehreren Underlyings: Beispielsweise reicht es dann aus, wenn eine von 4 Aktien unter 60 % des Anfangswertes fällt, damit die Tilgung in der billigsten Aktie (am Ende der Laufzeit) erfolgen darf. Beim Pfadaufbau bewegt man sich dann im vierdimensionalen Raum, die Korrelation wird durch den Prozess, dass man einen Tag zieht und die Änderung dieses Tages auf alle vier Aktien angewendet wird, automatisch berücksichtigt. Wenn die Laufzeit des PRIIP länger als ein Jahr ist, muss dann eine (räumlich) vierdimensionale Differentialgleichung gelöst werden oder die Bewertung über Quasi-Monte-Carlo Simulation erfolgen.
Notieren die Aktien in unterschiedlichen Währungen, müssen obendrein Quanto-Effekte abgebildet werden.
Im nächsten Beitrag: PRIIPs Kategorie 3-Methodik für nichtlineare Zinsinstrumente.