PRIIPs Kategorie 3-Methodik für nichtlineare Zinsinstrumente
Einleitung
Auch für Zinsinstrumente, die in die Kategorie 3 der PRIIPS Verordnung fallen, sind umfangreiche Simulationsrechnungen anzustellen, um den SRI (Summary Risk Indicator) und um die Performance-Szenarien zu ermitteln.
Beispiele solcher Anleihen sind – die Liste ist in keiner Weise vollständig:
- Variabel verzinste Instrumente mit Zinsober- und -untergrenzen. Dabei kann der Referenzzinssatz ein Libor, ein CMS-Satz, ein variabler Zinssatz in einer anderen Währung (Quanto), eine Inflationsrate oder eine kompliziertere Regel sein, wie sie etwa bei Snowball-Anleihen, CMS Spread-Anleihen oder Range Accrual Notes eine Rolle spielen. Insbesondere im Fall dieser hochstrukturierten Instrumente sind diese Anleihen auch noch mit Kündigungsrechten für die Emittentin ausgestattet.
- Keine PRIIPs hingegen sind Fixzinsanleihen (ohne Kündigungsrechte), auch wenn sie mit einem möglicherweise erheblichen Ausfallsrisiko verbunden sind.
Im Prinzip sind für die Berechnung der PRIIPS-Kennzahlen wieder 10.000 Pfade zu generieren (bei Instrumenten mit längerer Haltedauer sind es mehr), und das Instrument ist an den vorgeschriebenen Zeitpunkten (nach einem Jahr, nach der halben empfohlenen Haltedauer, nach der empfohlenen Haltedauer) entlang des jeweiligen Pfades zu bewerten. Der Teufel liegt im Detail.
Die Pfaderzeugung für Zinsinstrumente
Im Fall des Barrier Reverse Convertible (BRC) (Teil 4 der Artikelserie) benötigten wir für die Bewertung der Down-and-In Put Option an einem gewissen Zeitpunkt den Kurs des Underlyings, die geschätzte Volatilität und die Information, ob die Barrier in der Vergangenheit schon durchbrochen wurde.
Für die Bewertung eines Libor-Floater mit Cap und Floor benötigen wir die Zinskurve zum Bewertungszeitpunkt und ein Zinsmodell, das der Hersteller (mehr oder weniger) frei wählen kann, das aber natürlich keine irreführenden Preise liefern darf. Mögliche Kandidaten für das Zinsmodell sind Short-Rate-Modelle (zum Beispiel: Hull-White, Black Karasinskii, Black-Derman-Toy), das Libor-Markt-Modell (etwa Brace-Gartarek-Musiela) oder ein Zinsmodell mit stochastischer Volatilität.
Da die Delegierte Verordnung keine Vorschriften über den Aufbau der Volatilitätsstruktur macht, ist unsere Empfehlung, ein Modell zu wählen, (1) das in der Lage ist, auch Instrumente mit Kündigungsrechten vergleichsweise schnell zu bewerten, (2) das auch negative Zinsen behandeln kann und (3) das – richtig implementiert – eine hohe numerische Stabilität und Robustheit aufweist. Aus unserer Sicht wird in sehr vielen Fällen von strukturierten Zinsinstrumenten für die Erzeugung von PRIIPs-Kennzahlen das Hull-White Modell das in diesem Sinn am besten geeignete Modell sein.
Anders als bei Aktieninstrumenten wie BRCs ist die Zustandsvariable, für die die Bewertung durchgeführt werden muss, aber kein Skalar, sondern ein Vektor von Zinssätzen für verschiedene Laufzeiten. Für jeden einzelnen dieser Zinssätze werden gemäss Delegierter Verordnung wieder logarithmische Returns berechnet.
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Logarithmische Returns von Zinssätzen
Betrachten wir beispielsweise den 1-Monats-Euribor zwischen 2014 und 2019

Bis zum 5. September 2014 war der Euribor 1m immer positiv: Am 4. September war der (Mittel-Schluss) Kurs 0.05071%, am 5. September 0.00071%. Obwohl das in absoluten Zahlen nur eine Veränderung von 5 Basispunkten darstellt, ist dies in der (fragwürdigen) Berechnungslogik der Delegierten Verordnung ein relativer Absturz um 98.6 Prozent!
Am 8. September 2014 war der Euribor 1m zum ersten Mal negativ. Hier schreibt die Delegierte Verordnung vor, dass die Zinskurve um so viele ganze Prozentpunkte nach oben zu verschieben ist, dass in den Zeitreihen (im Normalfall der letzten 5 Jahre) wieder alle Werte positiv sind, hier also um einen Prozentpunkt. Nach dem Bootstrapping werden die generierten Kurven wieder nach unten verschoben. Aus dem Absturz um fast 99 % wird dann ein Absturz von etwa 5 %. Damit sind dann auch die generierten Pfade für den Euribor 1m völlig unterschiedlich, je nachdem, ob die 5 Jahre vor dem 5. September 2014 (Freitag) oder vor dem 8. September (Montag) verwendet werden.:

Die Abstürze in den einzelnen Pfaden passieren, wenn beim Bootstrapping die Änderung vom 4. auf den 5. September gezogen wird.

Aus unserer Sicht wäre die einzig saubere Vorgehensweise, nicht relative Änderungen von Zinssätzen zu verwenden, sondern Differenzen. (Wir sagen bei einer Temperaturänderung von 1° Celsius auf 0.1° Celsius ja auch nicht: „Die Temperatur ist um 90% gefallen.“)

Simulierte Zinskurven, beginnend Ende 2029. Quelle: Binder-Jadhav-Mehrmann: Model order reduction for the simulation of parametric interest rate models in financial risk analysis. Eingereicht
Wenn wir, basierend auf den Daten bis Ende 2019 ein Zinsinstrument Ende 2029 bewerten möchten, dann ergeben sich die (10.000) Zinskurvenpfade des obigen Bildes.
Für die Bewertung eines Floater mit Cap und Floor unter einem Ein-Faktor-Hull-White-Modell ist dann noch die Volatilität und die Reversion Speed anzusetzen, zum Beispiel die Werte des kalibrierten Modells von 2019.
Für einen zehnjährigen Vanilla Floater, der vierteljährlich den Euribor 3m mit Cap bei 2.25 % und Floor bei 0.5 % (jeweils p.a) bezahlt, erhalten wir für die Performance Szenarien in Vielfachen des Einstiegswertes:
Performance Scenario |
5 years |
10 years |
Favorable (90th percentile) |
1.014 |
1.101 |
Moderate (50th percentile) |
1.002 |
1.066 |
Unfavorable (10th percentile) |
0.984 |
1.041 |
Dabei sind die 10 Jahreswerte einfach die Tilgung plus die summierten Kupons, die 5 Jahreswerte die Kupons bis zum Jahr 5 plus der Barwert im der Tilgung plus der zukünftigen Kupons im Jahr 5. Für die Berechnung dieses Barwerts ist die entsprechende Hull-White Differentialgleichung zu lösen.
Auf den ersten Blick überraschend sind die Histogramme der Performance Pfade:

Verteilung der Rückzahlungswerte (Kupons plus Tilgung) nach 10 Jahren. Aufgrund der Konstruktion der Zinskurven gemäss der Delegierten Verordnung ist der Euribor 3m im wesentlichen lognormal verteilt, also linkssteil und rechtsschief. Quelle: Binder-Jadhav-Mehrmann

Umgekehrt nach 5 Jahren. Hier kommt der wesentliche Anteil des Werts aus dem Abzinsen der Tilgung mit einem im wesentlich lognormal verteilten 5-Jahres-Zinssatz, was zu einer rechtssteilen und linksschiefen Verteilung führt. Quelle: Binder-Jadhav-Mehrmann