Der Risikobegriff und die Volatilität als Teil des Marktrisikofaktors
Vorwort zur Artikelserie
Die Risikobewertung von Anlageprodukten ist nicht erst seit der Finanzkrise und den verschiedenen, neuen regulatorischen Vorschriften zum Anlegerschutz ein Thema in der Vermögensberatung, aber dennoch werden seither vermehrt Risikokennzahlen in der Beratung von Privatkunden berücksichtigt, was sicherlich auch am breiteren Einsatz von Softwarelösungen für den Beratungsprozess liegen dürfte, welche eine einfachere, wiederkehrende Bewertung eines grossen Universum an Anlageprodukten vereinfacht.
In dieser mehrteiligen Artikelserie möchten wir das Thema Risiko von Anlageprodukten beleuchten und unseren Lesern die einzelnen Risikofaktoren sowie die gängigen Risikokennzahlen näherbringen, welche von Finanzdienstleistern für die Vermögensberatung eingesetzt werden können. Die Artikelserie bezieht sich ausschliesslich auf das Risiko eines einzelnen Anlageproduktes und berücksichtigt keine Portfoliorisikoaspekte. Weitere Informationen zur Bewertung von Portfolios werden in einer separaten Artikelserie folgen.
Der Risikobegriff
Risiko ist ein viel diskutierter Begriff, der gerade in unsicheren Zeiten an den Finanzmärkten in aller Munde ist. In der Finanzindustrie sprechen wir dabei von Finanzrisiken, welche grundsätzlich in drei unterschiedliche Risikofaktoren unterteilt werden können. Diese sind das Marktrisiko, das Kreditrisiko und das Liquiditätsrisiko. Generell hat das Risiko, unabhängig vom Risikofaktor, immer etwas mit Unsicherheit zu tun und kann nicht immer intuitiv erfasst werden.
Dies kann man an einem einfachen Beispiel verdeutlichen:
Nehmen wir an wir legen CHF 100 auf die Bank und betrachten zwei Varianten des Resultates nach der Anlageperiode:
- Variante 1: Es resultiert ein garantierter Wert von CHF 70
- Variante 2: Es resultiert ein Wert zwischen CHF 150 und 250
Unter der Annahme, dass wir das Risiko als Volatilität definieren, hat Variante 1 kein Risiko und Variante 2 ein hohes Risiko. Darum wird in der Finanzindustrie der Begriff des Risikos oft ergänzt – zum Beispiel um den Value at Risk (VaR). In den nachfolgenden Erläuterungen möchten wir nun den Risikofaktor Marktrisiko genauer betrachten, wobei wir uns in diesem ersten Teil der Artikelserie insbesondere auf die Volatilität als Risikokennzahl konzentrieren möchten.
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Das Marktrisiko als Risikofaktor
Das Marktrisiko, auch als Marktpreisrisiko oder Marktpreisänderungsrisiko bekannt, ist das Risiko, das einem Marktteilnehmer durch Veränderungen des Marktwerts erwächst. Das Marktrisiko ist jedem Bestand immanent, trotzdem ist es schwierig einen Konsens darüber zu finden wie es zu definieren ist. Unterschiedliche Grössen kommen für die Beschreibung zur Anwendung. Auch die Wahrnehmung des Risikos an sich ist bei Finanzmarktakteuren unterschiedlich und hängt mit der Zusammensetzung des Portfolios, dem Anlegertyp (privat oder institutionell) und von der Risikobereitschaft sowie der Risikofähigkeit des Anlegers ab. Zu den bekanntesten Kennzahlen, die der Messung des Marktrisikos von Anlageprodukten dienen, gehört die Volatilität, welcher dieser Beitrag gewidmet ist.
Volatilität als Ausmass der Schwankungen
Als Volatilität wird das Ausmass der Schwankung von (börsen-) gehandelten Wertpapieren und Gütern innerhalb eines bestimmten Zeitraums bezeichnet. Sie beeinflusst Wert und Rendite von Anlageprodukten. Kurse im Handel unterliegen einem ständigen Auf und Ab. Das gilt für alle Anlageprodukte, wie zum Beispiel für Aktien, Anleihen, Derivate, Devisen, Edelmetalle oder Rohstoffe. Die Kursausschläge hängen von der Art des Instruments ab, vom Markt und von spezifischen Faktoren, die für einen einzelnen Titel relevant sind. Je nach Instrument wird die Volatilität aus der Zeitreihe der absoluten Änderung , der relativen Änderung
oder der logarithmischen Änderung
berechnet. Absolute Wertveränderungen werden beispielsweise herangezogen, wenn die Volatilität von Zinsen zu ermitteln ist. Relative und logarithmierte Wertänderungen unterscheiden sich bei kleinen Änderungen kaum und werden z.B. zur stochastischen Modellierung von Aktienkursen herangezogen.
Historische und implizite Volatilität
In der Finanzwelt begegnen uns unterschiedliche Volatilitätsbegriffe, wie z.B. die historische oder die implizite Volatiltät. Als historische oder historisch realisierte Volatilität bezeichnet man die Volatilität, die man aus Zeitreihen historischer Wertänderungen ausrechnet. Diese Volatilität wird meist zur Quantifizierung des Risikos von Aktien oder Portfolien im Wealth Management Umfeld herangezogen.


Basierend auf diesen Datenpunkten kann die Volatilität mit folgender Formel berechnet werden

Wobei N die Anzahl der Datenpunkte und der Mittelwert der Returns ist. Will man zum Beispiel eine tägliche Volatilität auf eine jährliche Volatilität skalieren kann dies mit Hilfe folgender Formel geschehen

wobei die Subskripte a und d für annual und daily stehen.
In unserem obigen Beispiel war die tägliche Volatilität über den Beobachtungszeitraum für Google und
für Apple, was jährlichen Volatilitäten von
bzw.
entspricht.
Im Bereich der Finanzmathematik gibt es noch einen weiteren Volatilitätsbegriff, nämlich den Begriff der impliziten Volatilität. Im Unterschied zur historischen Volatilität basiert die implizite Volatilität nicht auf historischen Zeitreihen, sondern wird aus Marktpreisen von Optionen abgeleitet. Sie ist jene Volatilität, die in ein Optionspreismodell (z.B. Black-Scholes) eingesetzt den Marktpreis reproduziert.

Aus den verschiedenen Laufzeiten und Ausübungspreisen ergibt sich eine Matrix an impliziten Volatilitäten. Diese wird oft über die Volatilitätsoberfläche dargestellt.
Fazit
Wie oben erwähnt, ist die historische Volatilität jenes Risikomass, das im Wealth Management Umfeld oft zur Bestimmung des Risikos von Einzeltiteln oder Portfolien herangezogen wird. Dennoch ist eine kritische Betrachtung der Volatilität als alleiniges Risikomass angezeigt wie folgende Punkte verdeutlichen sollen:
- Die Betrachtung der historischen Volatilität liefert keine zuverlässige Prognose für das zukünftige Risiko
- Die Volatilität betrachtet gleichermassen Ausschläge nach oben wie auch nach unten – die wenigsten Anleger sehen Ausschläge nach oben problematisch
- Die Volatilität ist keine konstante, sondern eine Zeitabhängige Grösse und kann sich gerade in Krisenzeiten sehr stark ändern.
Daher werden wir im nächsten Beitrag weitere Marktrisikomasse vorstellen, die gemeinsam mit der Volatilität ein differenzierteres Bild über das tatsächliche Marktrisiko einer Anlage liefern können.
Im nächsten Beitrag: Value at Risk (VaR) als Teil des Marktrisikos von Anlageprodukten.