Value at Risk (VaR) als Teil des Marktrisikos von Anlageprodukten.
Einleitung
Die im ersten Teil betrachtete Volatilität hat als alleiniges Risikomass Schwächen, so tragen Ausschläge nach oben genauso wie Ausschläge nach unten zur Volatilität bei. Sie gibt im Verlust- oder Krisenfall auch keine Auskunft darüber wie stark der Verlust ausfällt. Daher werden zur Risikobetrachtung eines Instruments oder Portfolios oftmals weitere Kennzahlen herangezogen. Eine dieser Kennzahlen nämlich den Value at Risk (VaR) wollen wir mit dem heutigen Blogbeitrag näher betrachten. Es ist zu beachten, dass der Value at Risk nicht nur im Bereich der Marktrisikomessung, sondern auch in den Bereichen des Kredit- und Liquiditätsrisikos eingesetzt wird.
VaR als Indikator für die Verlustwahrscheinlichkeit
Beim VaR, welcher sich als Standardrisikomass in der Finanzindustrie etabliert hat, handelt es sich um das Quantil einer Verteilung, das zu einem gegebenen Wahrscheinlichkeitsniveau angibt, welche Verlusthöhe innerhalb eines gegebenen Zeitraums mit dieser Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Dies wird als VaR angeschrieben wobei a dem verwendeten Konfidenzintervall entspricht. Versuchen wir das eben gelesene anhand eines Beispiels einer historischen VaR Berechnung nachzuvollziehen. In unserem letzten Beitrag haben wir bereits mit der Google Aktie gearbeitet und aus der Zeitreihe des Aktienkurses die zugehörigen Log-Returns ermittelt.


In der folgenden Grafik wurden die um den Mittelwert korrigierten Log-Returns in einem Quantile-Plot dargestellt. Dazu werden die logarithmischen Returns aufsteigend sortiert. Der erste Punkt entspricht jenem Wert bei dem 1% der Log-Returns kleiner sind, der zweite Punkt jenem Wert, bei dem 2% der Log-Returns kleiner sind usw. Die rote Linie markiert den a=0.05 Bereich (Konfidenzintervall von 5%).

Der Wert des Returns an der Stelle 5 beträgt -0.0246553. Mit Hilfe dieses Wertes können wir nach einer Mittelwerts Korrektur nun den VaR der Google Aktie berechnen. Dazu multiplizieren wir den letzten uns bekannten Wert der Google Aktie (31.12.2019) mit dem zu unserem Konfidenzintervall 5% gehörigen Log-Return Wert von -0.023916.

Das bedeutet, dass der 1-Tages VaR der Google Aktie am 31.12.2019 USD 31.65 betragen hat. Mit einer 95%-igen Wahrscheinlichkeit war der Tagesverlust nicht größer. Achtung: Der VaR kann keine Aussage machen wie groß ein Verlust ist, wenn der VaR Wert überschritten wird. Dies kann durch den Expected Shortfall (ES) berechnet werden, den wir in einem weiteren Blogbeitrag vorstellen werden.
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Berechnungsmethoden VaR
Varianz-Kovarianz Ansatz
Der Begriff Varianz-Kovarianz Ansatz zur Berechnung des VaR wird häufig als Synonym für den Delta-Normal-Ansatz verwendet und entspricht dem ursprünglich von J.P. Morgan entwickelten VaR Konzept. Man geht von einer Normalverteilung der zugrundeliegenden stochastischen Faktoren aus (in unserem Fall einer Normalverteilung der Log-Returns). Für Log-Returns berechnet sich der VaR Wert in der Währung des Assets:

Für hinreichend kleine Zeitabschnitte wird der Erwartungswert der Log-Returns mit 0 approximiert. Der mit dem Delta-Normal Ansatz berechnete VaR Wert für unser Google Beispiel beträgt USD 32.52
Dieser Ansatz ist auf lineare Instrumente beschränkt und eignet sich nicht zur Berechnung des VaR für Instrumente mit nichtlineare Auszahlungsprofilen oder Portfolien, die solche Instrumente enthalten.
Historischer VaR
Anders als bei den beiden zuvor vorgestellten Methoden, liegt der historischen Simulation kein parametrisiertes Modell zu Grunde. Die Vorgehensweise entspricht der im Beispiel gezeigten:
- Berechnung der historischen Deltas der relevanten Größe (z.B. Log-Returns) mit dem gewünschten Zeitabstand (1Tag, 10 Tage,…)
- Sortierung der historischen Deltas. Als Variante kann hier eine Korrektur um die Mittelwerte vorgenommen werden ().
- Berechnen des dem verwendeten Konfidenzintervalls entsprechenden Quantils der diskreten Verteilungsfunktion c.
- Berechnung des VaR durch Anwendung von c auf den heutigen Wert des Assets.
Monte Carlo VaR
Beim Monte Carlo VaR werden N Zufallswerte aus der parametrierten Verteilung gezogen. Im vorliegenden Fall ist die Verteilung eine Normalverteilung mit Mittelwert und Standardabweichung der historischen Log-Returns. Nach dem Ziehen werden die Schritte analog zum historischen Return angewendet, um den VaR zu erhalten.
- Simulation von Deltas der relevanten Größe (z.B. Log-Returns) durch ziehen aus einer parametrierten Verteilungsfunktion.
- Sortierung der simulierten Deltas.
- Berechnen des dem verwendeten Konfidenzintervalls entsprechenden Quantils der diskreten Verteilungsfunktion c.
- Berechnung des VaR durch Anwendung von c auf den heutigen Wert des Assets.

Der Wert des Monte Carlo VaR beträgt USD 31.14.
Die zeitliche Betrachtung des VaR
Im obigen Beispiel haben wir den 1-Tages VaR betrachtet. Wie können wir nun den VaR skalieren bzw. den VaR für andere Zeitdifferenzen berechnen.
Berechnung des VaR mit anderen Zeitdifferenzen
Anstatt die Log-Returns auf Tagesbasis zu berechnen können diese ebenso auf Monats- oder Jahresbasis berechnet werden. Um genügend Datenpunkte zu lukrieren sollte dabei ein «Moving Window» Verfahren eingesetzt werden. Dabei wird das Zeitfenster (1 Monat, 1 Jahr,…) immer um einen Tag verschoben. Die anschliessende Berechnung erfolgt analog zum 1-Tages VaR. Diese Methodik ist gegenüber einer Skalierung des 1-Tages VaR (siehe nächster Absatz) zu bevorzugen, auch wenn sie algorithmisch aufwendiger ist.
Skalierung des VaR
Bei der Skalierung des VaR wird der 1-Tages VaR mit dem Zeitfaktor multipliziert. Dieser Faktor leitet sich aus der Skalierung der Varianz bei der Standardnormalverteilung ab. Anders als beim Varianz-Covarianz Ansatz, dem eine Normalverteilungsannahme zugrunde liegt ist dies beim historischen oder Monte-Carlo VaR nicht notwendigerweise der Fall. Hier sollte man mit der einfachen Skalierungsformel sehr vorsichtig umgehen.
Fazit
Wie oben erwähnt, ist der VaR ein in der Finanzindustrie etabliertes Risikomass, welches eine Aussage zur Wahrscheinlichkeit eines Verlustes ermöglicht. Eine kritische Betrachtung des Risikomasses ist jedoch angezeigt, da auch der VaR bestimmt Schwächen aufweist:
- Fehlende Subadditivität: Der VaR ist kein kohärentes Risikomass (es ist möglich, dass die Summe der VaR-Werte von Teilportfolios kleiner ist als der VaR des Gesamtportfolios) und berücksichtigt Diversifikationseffekte nicht immer ausreichend.
- Fehlende Aussagekraft der Zeitreihe: Zur Bestimmung der Verteilungsparameter, bzw. zur historischen Simulation wird eine Zeitreihe verwendet. Wenn diese Zeitreihe keine Krisen beinhaltet kann bei einer tatsächlichen Krise der VaR massiv unterschätzt werden. Dem kann mit der VaR Berechnung über die Extremwerttheorie bzw. Peak over Threshold Methode begegnet werden.
- Fehlende Angabe zur Verlusthöhe: Der VaR liefert keine Information für die Höhe des Verlustes für den Fall, dass der VaR Wert überschritten wird.
Literatur: Wiley Finance: Financial Risk Manager Handbook, Phillip Jorion, GARP
Im nächsten Beitrag: Kreditrisiko, Liquiditätsrisiko und die PRC als Gesamtrisikoindikator.